Release: 26. Oktober 2021

Quatrefoil - DEHORS - SD-117

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Leise Luftstöße rütteln draußen am Fenster vor wolkenverhangenem Himmel – lautes Fauchen von Fahrtwind schwillt drinnen aus den heimischen Lautsprechern. Mit dem neuen Release auf Spheredelic bringen wir euch die düster-nostalgische Stimmung des Herbstes direkt auf die Ohren!

Extrem verzerrte, synthetische Klangflächen umweben wie zu Fäden getrockneter Klebstoff den elegant schwebenden Klang einer verhallten E-Gitarre. Immer wieder durchzieht das  organische Anklingen der Saiten die klebrig-sirrenden Noise-Soundscapes, um dann klagend abzuebben und im digitalen Flimmern der manipulierten Samples zu ertrinken.

RETOUR 4 klingt, als würde man im fahrenden Wagon der Transsib-Eisenbahn den Kopf aus dem Fenster strecken, während die In-Ear Plugs aus den Ohren wehen und die gerade gehörten Post-Punk Gitarren nur noch ein fisseliges auditives Bruchstück ihrer selbst im Matsch des Gegenwindes darstellen. Dabei ist die Assoziation Zugfahrt gar nicht weit hergeholt, eher programmatisch. Denn das neue Release DEHORS von Quatrefoil auf Spheredelic ist genau davon inspiriert. Vom hallenden Windzug in verlassenen Depots, der stillen Dunkelheit leerstehender Nachtzugabteile oder dem transitorischen Charakter des Röhrens und Wummerns vorbeieilender Güterzüge in der schieren Weite der Landschaft.

So wandelbar wie eine Zugfahrt, so unterschiedlich, aber dennoch gleichsam düster und herausfordernd klingen die verschiedenen Titel des neuen Releases des kroatischen Ambient-/Experimental-Projektes Quatrefoil. Düstere, mal Subbass-, mal höhenlastige Samplebasierte Drone-Flächen durchziehen das Stereobild, während verheißungsvoll und anmutig ein tiefes, verzerrtes Piano anschwillt und für balsamierte untere Mitten sorgt (DêPART 2). Dazwischen immer wieder: gekonnt platzierte, Schienenverkehr basierte Field-Recordings, das Wummern, Rattern und Schnalzen vorbeiziehender Züge, das Tinnitus-artige Flimmern und Quietschen einer Schiene, an die wir das Ohr anlegen (DêPART 8 & RETOUR 5). 

Mal scheint es, als würde das mechanische Pochen einer Maschine vom anderen Ende des Tunnels anmutig, aber bestimmt durch die Luft schneiden (vapeur), mal wirkt der Sound fast schon sakral, wähnt mensch sich vor dem inneren Auge in einer von Popol Vuh intonierten Szene aus einem Werner Herzog Film (DêPART 6). Was dann aber dieses kathedralartige Hallen, die tief stehenden Flächen aus sonor wirkenden Bass-Voices (DêPART 1) und die verzerrt-schrillen Wände aus manipulierten Samples so abgrenzbar und reizvoll im Vergleich zu herkömmlichem Ambient macht, ist eben dieses omnipräsente, kurzweilige Zucken eines Schienenverkehr-nahen Field-Recordings in Kombination mit gekonnt eingesetzten Instrumentalelementen.
 

Dabei hinterlassen diese Recordings noch zusätzlich metaphorisch lesbare Spuren im Bewusstsein: ziehen wir Menschen doch tagtäglich wie vorbeieilende Züge unsere kleinen Linien in der Raumzeit – oder hinterlassen feine Dunstschwaden im Datensmog. Netter Fact nebenbei: die Koordinaten der Field-Recordings ergänzen die Tracktitel. So wird mensch nicht nur auditiv in industrielle, aber doch organische Soundflächen eingebettet, sondern kann sich innerlich in die vorbeiziehenden Weiten der kroatischen Landschaft versetzen. 

Fans von experimenteller und vor allem programmatischen Ambient-Soundscapes werden mit DEHORS voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Gute Fahrt!

                                                                                                                                                                                                                                                          Text: R. Ahrens